Ernst Moritz Arndt

Pro und Contra

Im Remscheider General-Anzeiger vom 25. Juni 2005 äußerten sich zwei ehemalige EMA-Schüler, die heute als Journalisten arbeiten, zum Namensstreit:

Pro Umbenennung des EMA-Gymnasiums: "Als Vorbild ausgedient"

Von Harry Luck
Ich war Viertklässler, und der Schulwechsel stand bevor. "Ich gehe aufs Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium", verkündete mein bester Freund stolz. "Schade", sagte ich enttäuscht im Glauben, bald nicht mehr mit ihm in dieselbe Klasse zu gehen, und fügte nicht weniger stolz hinzu: "Ich gehe auf die EMA."
Wer sich hinter dem lieblichen und lieb gewonnenen Kürzel verbirgt, war auch Jahre später für die meisten Schüler unbekannt. Ein großer deutscher Dichter, der fromme Kirchenlieder geschrieben hat. Mehr wussten wir nicht. Erst in der zehnten Klasse erfuhren wir von einem engagierten Deutschlehrer mehr über den Namensgeber unserer Schule. Wir bekamen Zitate vorgelegt, die mich noch heute fassungslos machen. "Man sollte die Einfuhr der Juden aus der Fremde in Deutschland schlechterdings verbieten und hindern", heißt es da. Der germanische Stamm müsse von "fremdartigen Bestandteilen" rein erhalten werden. Mit ihrem "Schmutz und ihrer Pest" bringen sie eine "verderbliche Überschwemmung" nach Deutschland - schreibt Ernst Moritz Arndt.
Wie konnte es sein, dass eine Schule nach einem solchen Rassisten benannt wurde, fragten wir uns. Die Antwort gab ein Blick ins RGA-Archiv. Schließlich hieß die Schule früher ganz harmlos "Staatliches Realgymnasium". Erst seit 1937 ist der Namensgeber Ernst Moritz Arndt. Die Begründung für die Umbenennung: Arndt sei ein "begeisterter Freiheitsheld und Vorkämpfer für das Dritte Reich" gewesen. Heute, 68 Jahre später, reicht dies als Begründung für eine erneute Umbenennung aus. Als Namensgeber einer Schule und somit Vorbild für mehr als 1 000 Gymnasiasten hat Arndt im 21. Jahrhundert ausgedient. Und wie wollen wir den Einwohnern der französischen Partnerstadt Quimper erklären, dass in Remscheid eine Schule den Namen eines Mannes trägt, der geschrieben hat: "Darum lasst uns die Franzosen nur recht frisch hassen." Und: "Ich will den Hass gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer." Oder: "Ihr Schützen, Gott segne euch jeglichen Schuss, durch welchen ein Franzmann erblassen muss."
Solche Äußerungen sind keine vereinzelten Entgleisungen, sie lassen sich in Arndts Werken an vielen Stellen finden. Diese Zitate sprechen für sich, auch wenn man sie noch so sehr "aus der Zeit heraus" interpretiert. Aber wir leben heute in einer anderen Zeit. In einer Zeit der Freiheit, Demokratie und Toleranz. Solche rassistischen Sprüche, wie sie zu Arndts Zeit vielleicht salonfähig und aufgrund der historischen Situation erklärbar waren, können wir heute nicht mehr akzeptieren.
Arndts Hasstiraden gehen weit über das hinaus, was damals üblich war. Mit seiner Weltanschauung von "Reinheit" und "Verbastardung" des deutschen Volkes hat er es den Nazis später leicht gemacht, ihn für sich zu vereinnahmen. Es kann nicht sein, dass eine moderne Bildungsanstalt nach einem Mann benannt ist, der sich heute wegen seiner Äußerungen wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten müsste.

ZUR PERSON Harry Luck (32) besuchte von 1983 bis 1992 das EMA-Gymnasium. Er war Mitglied der Arbeitsgruppe, die sich mit dem Namensgeber der Schule befasste. Der frühere RGA-Volontär ist Diplom-Politologe und lebt heute als Journalist und Krimi-Autor in München und Berlin. Derzeit arbeitet er als Chef vom Dienst bei der Nachrichtenagentur ddp.


Contra Umbenennung: "Ein passabler Demokrat"

Von Dr. Sascha Lehnartz
Gegen Ende meiner Zeit auf der EMA, 1988, machten wir uns den Namensgeber selbst zum Thema. Wir lasen seine Texte. Uns wurde schlecht. In unserem Abi-Kabarett zitierten wir einige "Stellen". In der Aula wurde es still. Was, fragten wir, rechtfertigte es, eine gute Schule heute noch mit diesem Namen zu plagen? Wir beschwichtigten uns auf der Bühne: "Man kann ihn nur aus seiner Zeit heraus verstehen.
Immerhin: Arndt war kein Nazi. Er genoss die Gnade der frühen Geburt." Es gibt gute Gründe, Ernst Moritz Arndt für untragbar zu halten. Wer erst mit der Lektüre beginnt, dem wird er nicht sympathischer. Einen leidenschaftlicheren Franzosenhasser deutscher Sprache wird man schwer finden. Wohl gab es noch größere Anti-Semiten, aber das tröstet nicht. Richtig ist auch, dass er schöne Kirchenlieder geschrieben und zur Abschaffung der Leibeigenschaft beigetragen hat. Er war ein passabler Demokrat, Einheits-Vorkämpfer und - das wird gern übersehen - ein früher Umweltbewegter. Und spätestens ab hier dreht sich die Diskussion im Kreis. Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald hat sie vor einigen Jahren mit großem akademischem Aufwand geführt - sie ging aus wie das Hornberger Schießen.
Die Uni, 1933 nach Arndt benannt, heißt immer noch so, eine politische Mehrheit für eine Namensänderung kam nicht zu Stande. Französische Austauschstudenten gibt es trotzdem. Rektor Rainer Westermann wäre den Namen gern los, sagt er, denn dann wäre die Diskussion wenigstens vorbei." Das Argument kann man sich zueigen machen - und damit gegen die Umbenennung sein. Wer die EMA umtauft, beraubt sie ihrer komplexen Geschichte und die Schüler der Chance, sich mit dieser Geschichte stets aufs Neue auseinanderzusetzen. Gerade ein so dubioser und widersprüchlicher Charakter wie der Namenspatron zwingt dazu, darüber nachzudenken, wie ein und derselbe "Geist der Zeit" einige der besseren und einige der fürchterlichsten Ideen der Deutschen gebar. Aber man kann die Diskussion natürlich auch abwürgen und die Schule nach einem - mit Verlaub - politisch korrekten, wackeren Zweitliga-Grafiker benennen. Das wäre eine hübsche leere Geste. Symbolischer Anti-Faschismus, der um siebzig Jahre zu spät kommt - und der nicht untypisch ist für eine sich der Rente nähernde Lehrergeneration.
Gewonnen wäre damit nichts. Verloren wäre die Chance, einen Namensgeber nicht gedankenlos als "Vorbild" zu begreifen, sondern als Herausforderung, selbst zu denken. Und verloren wäre auch das Privileg, sich generationsübergreifend seiner alten Schule, der EMA eben, verbunden zu fühlen. Das ist zwar bloß eine sentimentale Qualität, aber sie wird jenen, die die Globalisierung noch Gott weiß wohin scheuchen wird, irgendwann mal fehlen.

ZUR PERSON Sascha Lehnartz (36) besuchte die EMA von 1979 bis 1988. Der promovierte Literaturwissenschaftler ist Autor der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und lebt in Berlin.

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