Ernst Moritz Arndt

Mannesmut vor Fürstenthronen

1802 schrieb Arndt den "Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen" (1803 erschienen). Da uns die Schrift nicht vorliegt, stützen wir uns auf Arndts "Erinnerungen aus dem äußeren Leben" (1840) und auf das "Lebensbild" Arndts von Wilhelm Steffens (beides in "Arndts Werke, Auswahl in zwölf Teilen", Hrsg. August Leffson und Wilhlem Steffens, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o. Jg.) Die Arbeit war, Arndt gemäß, keine rein akademische Darstellung. Der historische Abriss gipfelte in scharfen Angriffen auf das "Bauernlegen" durch ruinöse Belastungen und spekulatives Aufkaufen ganzer Dörfer zur Umwandlung in Herrengüter. Arndt: "Diese Greulichkeiten hatte ich mit angesehen, und sie hatten mich empört." "Mein Büchlein machte natürlicherweise Haß und Lärm, nicht bloß bei dem Adel, welchen ich darin am meisten anzuklagen schien, sondern auch bei anderen Halbvornehmen und bei manchen reichen und junkerisch gesinnten Großpächtern, welche schrien, ich sei ein Leuteverderber und Bauernaufhetzer." Arndt wurde beim schwedischen König denunziert - Pommern gehörte zum Königreich Schweden - und in dessen Auftrag vom pommerschen Generalgouverneur verhört. Arndts Verteidigung muss den König beeindruckt haben. Steffens: "Er [Arndt] hatte die Genugtuung, daß sein Buch mit den Anstoß gab zu der 1806 erfolgenden Aufhebung der Leibeigenschaft [in Schweden, d.Hrsg.]" 1818, kurz nach Arndts Ernennung zum Professor in Bonn, erschien seine Schrift "Geist der Zeit IV" mit u.a. Kapiteln "Deutschland", "Verfassung und Preßfreiheit", "Die deutsche Wehrmannschaft", "Über deutsche Art und über das Welschtum bei uns", "Das Turnwesen", "Unsere Sprache und ihr Studium", "Ein Wort über das jetzige deutsche Gelehrtenwesen".
Über seine Äußerungen war der preußische König sehr ungehalten: "Arndt wurde verwarnt und ihm angedroht, daß er bei der ersten ähnlichen Veranlassung von seiner Stelle entfernt werden würde." (W. Steffens, a.a.O.) Nach der Ermordung Kotzebues durch den Burschenschafter Sand im März 1819 wurde Arndt im Zuge der großen "Demagogen"-Verfolgung die Lehrtätigkeit verboten, seine Schriften wurden beschlagnahmt, und es begann ein langwieriges Untersuchungsverfahren. 1821 wurde er vom Amt suspendiert - alles ohne Gerichtsverfahren. Obwohl die Untersuchenden seine Unschuld schließlich zugeben mussten, blieb Arndt "aus höheren und vorzüglich politischen Rücksichten" (zitiert nach Steffens, a.a.O) unter Belassung seines Gehaltes vom Amte enthoben. Dies wurde ihm erst im Dezember 1826 mitgeteilt. Voll rehabilitiert wurde er erst 1840 unter dem neuen König Friedrich Wilhelm IV.
Das alles gehört zu der Antwort auf die Frage, welche historischen Verdienste Arndt zuzurechnen sind. Dabei ist anzumerken: Arndt war keineswegs Demokrat im modernen Sinne (auch nicht im Sinne der Paulskirchenverfassung von 1848). Die Demokraten der Paulskirche traten ein für volle Volkssouveränität, die Republik als Staatsform, das allgemeine Wahlrecht und eine Beschlussfassung druch die Nationalversammlung. Arndt dagegen setzte sich für eine konstitutionelle Monarchie ein, in der Adel, Bauern und Bürger im Reichstag vertreten sein sollten. Er trat für ein Zensuswahlrech ein und wandte sich mit polemischer Sprache gegen ein allgemeines und gleiches Wahlrecht. (Vgl. Arndt: "Über künftige ständische Verfassungen in Teutschland", 1814.) Arndt ist demnach dem rechten Flügel der Paulskirche zuzuordnen, liberal im Sinne des Konstitutionalismus, welcher die absolutistiche Fürstenherrschaft überwindet. Folgerichtig gehörte er zu der Fraktion, die dem preußischen König die deutsche Kaiserkrone antrug. Es ist also mindestens sehr missverständlich, wenn man Arndt als Vorkämpfer der Demokratie ansieht, wie dies bisweilen zu lesen ist. Viele seiner Zeitgenossen, die diesen Titel zu Recht verdienen, snd heute fast vergessen.

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